Home Office bedeutet auch Wäsche waschen. Man nennt das „Work-Life-Balance“. Die ist sehr nützlich, weil – sofern man eine echte Balance hergestellt hat – ein Ausgleich zwischen Beruf und Freizeit besteht und nicht, wie in den meisten Fällen, ein Überhang von Arbeit bzw. von Zeit, in der man im Büro anwesend sein muss. Ich behaupte, dass kein Mensch täglich 8 Stunden konzentriert arbeitet. Das Home Office ist trotzdem verrufen. Hier würde man zu offensichtlich machen, was im Büro unausgesprochen getrieben wird. Hier würde man Wäsche waschen oder die Wohnung aufräumen, in der Zeit, in der man sonst den Online-Shop leer kauft.

Weil das Home Office auch als „Haushaltstag“ oder „Gammel-Tag“ bezeichnet wird, ist für alle klar:  Im Home Office wird nicht gearbeitet. Nur Freelancer dürfen im Home Office und im Café arbeiten, aber die verdienen ja auch nichts. Der Bänker ist dafür mindestens 70 Stunden pro Woche an sein Büro gefesselt und leichenblass, weil er nie Tageslicht zu sehen bekommt. Der arme!

Wenn man eine der zuvor genannten Aussagen trifft, wird garantiert immer mindestens eine andere Person nickend ihre Zustimmung zeigen. Kaum einer würde sich trauen, auf den Tisch zu hauen oder man würde das nur sehr leise versuchen: „Naja, ich habe trotzdem „echte“ Arbeit auf dem Tisch im Home Office.“ Das glaubt einem natürlich kein Mensch. Was fehlt ist das Vertrauen. Und die Leistungsorientierung. Anwesenheit siegt noch immer über tatsächliche Leistung.

Was folglich überhaupt nicht geht, ist Home Office an schönen Orten. Hier versagt sogar das Vertrauen bei denen, die es eigentlich besser wissen müssten, weil sie es selbst praktizieren. So kommt es wieder zu dem Phänomen, das man schon vom klassischen Büro-Präsenz-Modell kennt: Man ist unehrlich. Genauso, wie man im Büro „Arbeit spielt“, arbeitet man im Home Office heimlich an schönen Orten – am Strand, auf einem Schiff, im Freizeitpark. Das ist nämlich bislang nur den Freelancern vorbehalten, die eh kein Geld verdienen. Die dürfen öffentlich machen, was bei Festangestellten mit flexiblen Arbeitsmodellen strengstens untersagt ist. Als ich neulich einen Blick in unsere Richtlinie zum flexiblen Arbeitsmodell warf, las ich Folgendes: Das Arbeiten sei auch an anderen Orten als dem Büroarbeitsplatz gestattet – im Zug, auf der Wiese, im Café, im Garten und überall da, wo ungestörtes Arbeiten möglich ist. Aha! Das bedeutet also, dass ich mich auf meinen Balkon setzen dürfte. Aber bedeutet das nicht auch, dass ich auf einem Balkon im Süden Spaniens sitzen dürfte? Nein! Mit der Landesgrenze überschreitet man auch die Grenze des Vertrauens. Denn soviel ist klar: Wer sich im Süden Spaniens aufhält, arbeitet garantiert nicht. Der macht Urlaub!

Da kann man noch so viele Arbeitsaufgaben erfüllt haben, aufmerksamer denn je an Telefonkonferenzen teilgenommen oder eifrig die galantesten Ideen zur Verbesserung von Prozessen entwickelt und an die gesamte Abteilung übersendet haben – im Home Office wird eben nur Wäsche gewaschen und im Home Office an einem schönen Ort – da wird Urlaub gemacht!

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Posted by:WORTWIND

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